Überführung 2024

06.04.2024, SVE (Elmshorn) - Brunsbüttel Kanalhafen

Dienstag haben wir unser Schiff ins Wasser geslippt und gestern, Freitag, den Mast gesetzt. Vor uns liegt eine Woche Urlaub und zumindest für die nächsten Tage ist recht angenehmes Wetter vorhergesagt. Wir hatten es dieses Jahr nicht wirklich eilig mit dem Slippen, denn das nasskalte Wetter der letzten Wochen bremste unsere sonst unbändige Vorfreude auf den Saisonstart ziemlich aus. Doch nun, wo die ersten Schritte getan sind und sich unverhoffter Weise Chancen auf ein paar schöne Stunden auf unserem Boot bei erträglichen Wetterbedingungen auftun, ist unser Feuer der Leidenschaft entfacht.

Allerdings ist es mehr als ungewiss, ob wir heute überhaupt loskommen, denn es gibt noch unheimlich viel zu tun. Folgende Liste gilt es, wenn möglich bis spätestens zum Einsetzen des Hochwassers um 13:44 Uhr zu erledigen:

      • Rigg (notdürftig) einstellen
      • Impeller wechseln
      • Ölwechsel einschließlich Ölfilter
      • Schiff beladen
      • Frischwassersystem reinigen
      • Wasser tanken
      • Großsegel anschlagen
      • Schoten anschlagen
      • Diesel tanken

 

In dieser Liste sind die sog. "must haves", Impeller wechseln und Ölwechsel sowie Schiff beladen, alles andere geht zur Not auch unterwegs!

Somit mache ich mich als erstes an die Seewasserpumpe - das Schiff liegt noch im Schlick. Als ich den ausgebauten Impeller in der Hand halte, habe ich gleich zu Beginn meiner Arbeiten das Gefühl, dass es sich hier um eine sehr sinnvolle Maßnahme handelt: Von den sechs Flügeln des Impellers sind fünf bis zur halben Höhe eingerissen.

Unser Schiff beginnt mittlerweile aufzuschwimmen und es wird Zeit, den Motor warm laufen zu lassen. Nach dem Start des Motors kontrollieren wir, ob die Seewasserpumpe nach dem Tausch des Impellers funktioniert oder eben auch nicht. Was soll ich sagen? Es kommt einfach kein Wasser aus dem verdammten Auspuff! Es gibt zwei Möglichkeiten: Das Schiff schwimmt noch nicht hoch genug, oder die Pumpe erfüllt nicht ihre bestimmungsgemäße Funktion, z.B. weil sie Luft zieht. Ich hatte aus Zeitgründen nicht auch die Gehäusedichtung mit ausgetauscht. Da wir keine Zeit für weitere Untersuchungen oder Erwägungen haben, mache ich mich direkt an den erneuten Ausbau der Seewasserpumpe. Leider ist die alte Dichtung fest mit der Dichtfläche des Gehäuses verklebt, so dass ich der Dichtung in Ermangelung passender Alternativen und mit größter Vorsicht mit einem Messer zu Leibe rücken muss. Ich spüre, wie in mir der adrenalininduzierte Puls hochsteigt! Eigentlich ist das bereits verharmlost dargestellt, denn, um ehrlich zu sein, verhallten bereits die ersten unangemessenen und nicht jugendfreien Kraftausdrücke in der dumpfen Akustik des Motorraums. Es war sogar soweit, dass ich wutgetrieben, erste Zweifel bezüglich unserer Absicht, in gut einer Stunde ablegen zu können, äußerte.

Nachdem ich die Seewasserpumpe wieder eingebaut habe, starten wir sogleich den Motor, damit ich das warmgelaufene Öl abpumpen kann. Schließlich bleibt nicht mehr viel Zeit für den Tausch des Ölfilters und das Einfüllen des neuen Öls. Die ganzen Utensilien müssen dann auch noch von Bord, um eine Riesensauerei an Bord zu vermeiden.

Am Ende sind wir gerade noch rechtzeitig soweit, dass wir ablegen können. Um 14:12 legen wir den Rückwärtsgang ein und verlassen alsdann unseren Heimathafen. Die Ungewissheit, ob wir loskommen, geschweige denn wohin es gehen soll, blieb bis zuletzt. Zunächst sind wir unglaublich erleichtert, dass wir überhaupt noch losgekommen sind. Wir genießen die erste Fahrt auf der Krückau ungemein. Wohin es geht, ist erstmal gar nicht so wichtig. Hinter dem Krückausperrwerk biegen wir erst einmal rechts ab und im Grunde werden Nicole und ich uns erst jetzt einig, dass wir den "Sprung" in den Nord-Ostsee-Kanal wagen wollen.

Vor der Schleuse warten wir ca. eine Stunde. Mit sechs weiteren Segelbooten laufen wir in die Schleuse in Brunsbüttel ein. Um viertel vor sieben abends verlassen wir die Schleuse und steuern den Kanalhafen an. Alle anderen Freizeitskipper haben die gleiche Absicht. Merkwürdigerweise wollen alle als erste in den Hafen einlaufen, wieso?

Als wir als Vorletzte durch die Hafeneinfahrt kommen, kann ich schon wieder nicht glauben, was ich dort sehe! An dem Haupt-Steg, der direkt am Kanalufer verläuft, haben die Crews zweier Yachten ihre Boote dermaßen platzverschwenderisch festgemacht, dass ich nicht anders konnte, als diese Situation zu klären. Ich frage höflich, ob sie ihre Boote etwas verholen können, damit wir dort noch dazwischen passen würden. Als Antwort kam: "Wir lagen hier aber zuerst!" Auf diese  unseemännischen Unverfrorenheit war ich entgegne ich mit offensichtlicher Unmissverständlichkeit, dass es hier und jetzt nicht darum ginge und sie bitte höflichst ihr Schiff verholen mögen. Glücklicherweise kam nun rasch Bewegung in die Sache und wir konnten uns zwischen die beiden Segelyachten legen. Natürlich haben wir uns im Anschluss in angemessener Weise für die Mühe bedankt, was mit einer gewissen Anerkennung erwidert wurde.

Nun, da wir fest sind und alle Anspannung von uns fällt, ergreift uns ein Gefühl der Glückseligkeit: Der Start in die Segelsaison 2024 ist vollbracht! Darauf gilt es mit einem kühlen Bier bzw. einem Glas Wein anzustoßen. Genau in diesem Moment bekommen wir Überraschungsbesuch, der offensichtlich unseren Status im Messangerdienst verfolgt hatte. Es ist eine willkommen Abwechslung und wir schaffen ausreichend Getränke aus der Bilge herbei. Es wird ein ausgelassener Abend, im Zuge dessen wir im "Torhaus", direkt gegenüber unseres Liegeplatzes einkehren.

07.04.2024, Brunsbüttel Kanalhafen - Olympiahafen Schilksee

Um kurz vor acht Uhr starten wir bei leichtem Regen den Motor und Nicole legt "einhändisch" ab, während ich noch unter Deck zu tun habe. Die Bedingungen sind recht ordentlich: Wir haben achterlichen Wind, teilweise mit bis zu 7 Beaufort. Das ergibt in Summe eine ordentliche Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 6,8 Knoten, so dass wir gegen 15:54 in die geöffnete Schleuse, ohne Wartezeit, in Kiel Holtenau fahren. Die Kanalfahrt war schön und bis auf einen Vorfall, recht unspektakulär: Als recht außergewöhnlich und im Grunde auch unästhetisch würde ich die Tatsache beschreiben, dass eine männliche Person seiner nudistischen Neigung beim Spazierengehen im Adamskostüm entlang des Kanals nachkommen muss!

Als wir gegen 16 Uhr aus der Schleuse auf die Kieler Förde fahren, haben wir dieses verstörende Ereignis bereits mental vollständig aufge- und verarbeitet, so dass wir uns ganz den wunderbaren Eindrücken des hiesigen Segelrevieres hingeben können. Wir haben uns entschlossen, noch bis Schilksee durchzuhalten.

Der Hafen ist noch ziemlich leer. Viele Liegeplätze sind noch durch rot/weiß gestreiftes Flatterband gesperrt. Die Stromkästen sind noch nicht vollständig verdrahtet, so dass wir heute ohne Strom auskommen werden.

08. - 11.04.2024, Olympiahafen Schilksee - Sønderborg Lystbådehavn

In Anbetracht der Wettervorhersage für die nächsten Tage, entschließen wir uns, heute bis Sønderborg zu fahren. Von einem Abstecher in die dänische Südsee nehmen wir aufgrund der angesagten Starkwindphase Abstand.

Auch der Sportboothafen von Sønderborg war von der Sturmflut Ende Oktober 2023 betroffen. Hier gab und gibt es viel zu tun. Es ist aber auch schon viel geschafft, so z.B. der große Grillplatz, der im Rahmen eines freiwilligen Arbeitseinsatzes von dänischen und deutschen Festliegern wieder aufgebaut wurde. Ein wirklich lobenswertes Engagement!

Wir legen hier in Sonderburg einige Hafentage ein und vertreiben uns die Zeit mit Spaziergängen in die Stadt, mit sportlichen Aktivitäten und einigen unerledigten Aufgaben an Bord - die Zeit vergeht schnell. Es sei noch am Rande bemerkt, dass auch hier für die Jahreszeit wenige Schiffe im Hafen sind. Wir beobachten, dass nur in Phasen mit weniger Wind gekrant wird. So können wir in der Zeit zwei Boote beobachten, die den Weg in ihr Element finden.

11.04.2024, Sønderborg Lystbådehavn - Langballigau

Heute Nachmittag lässt der Wind etwas nach, so dass wir die Gelegenheit nutzen, nach Langballigau zu verholen. Unser Freund aus Fahrdorf empfängt uns am Hafen, zur Freude unseres Jüngsten, mit "Bolle" an der Leine. Wir essen gemeinsam Pizza und verbringen einen wirklich schönen Abend - danke Björn!

12.04.2024, Langballigau - Marina Minde

Heute Morgen legt der Wind wieder ein kurze Pause ein, allerdings soll es den ganzen Tag regnen. Wir nutzen die Gelegenheit und legen bei knappen 3 Beaufort nur mit Fock ab. Die Sonne versucht sich durch die ansonsten geschlossene Wolkendecke zu kämpfen - leider gewinnt dann aber später der Regen! Wir laufen gegen halb zehn in Marina Minde ein. Das für heute angesagt regnerische Wetter nutzen wir, um irgendwie nach Elmshorn zu kommen, damit wir morgen wieder mit dem Auto hierher nach Marina Minde zurückkommen können.

Von Marina Minde mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Elmshorn zu kommen ist bekanntermaßen eine große Herausforderung. Laut Google Maps 5,5 Stunden. Hmmm, wir überlegen, was wir tun können. Zunächst machen wir uns mit leichtem Gepäck zu Fuß auf Richtung Egernsund. An der Bushaltestelle kurz vor der Egernsundbrücke keimt die Erkenntnis, dass wir zu Alternativen greifen müssen!  Nachdem wir fast 3,5 km zu Fuß und bei Wind und Regen zurückgelegt hatten, entscheiden wir uns dafür mit dem Taxi nach Flensburg zu fahren. Durch eine glückliche Verkettung von Zufällen bestreiten wir den ersten Teil der Reise mit der Deutschen Bahn ohne nennenswerte  Vorkommnisse bis Neumünster. Ein direkte Verbindung von Flensburg nach Hamburg gibt es leider nicht. Auch der zweite Teil der Reise, von Neumünster bis Elmshorn bleibt unspektakulär. Einziger Wehrmutstropfen: Wir müssen die ganze Zeit dichtgedrängt auf der Treppe stehen.

In Summe haben wir nach nun knapp einer Woche das Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Wir freuen uns auf viele schöne Momente auf unserem Schiff.





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